Dicke Kinder flüchten gelegentlich gern mal in Tagträumereien. Dünne Kinder machen sowas bestimmt auch - genauso wie die großen und kleinen, schönen und hässlichen, schwarz, weiß, gelb, lila und buntbefleckten Kinder: Jeder fabuliert sich hin und wieder die grausame Welt bunt und zuckrig. Dicke Kinder haben allerdings oftmals wesentlich mehr Zeit für diese ungesunden Tagträumereien und die daraus resultierende Ausuferung ihrer Phantasie.
Ich weiß wovon ich rede. Die Grenze zwischen wahrhaft Erlebtem und wahrlich Erfundenem verlief in meiner Jugend äußerst wankelmütig und fernab jeglicher reelen Machbarkeit. Es war zwar nicht so, dass ich mir bewusst eine bessere Kindheit oder ein imposanteres Umfeld zusammengesponnen hatte. Doch wenn man sich wiederholt einredet man sei als Säugling aus dem Kinderwagen der wahren Eltern geraubt worden, nur um anschließend bei dieser klägllich verarmten Frau aufzuwachsen (obwohl man Sprössling einer Dynastie ist), dann glaubt man nicht einfach nur an diese Ungerechtigkeit. Sie bekommt ein Eigenleben und eine Dynamik und ab einem gewissen Punkt kann eben nicht mehr zwischen Wahrem und Nicht-Wahrem unterschieden werden.
Eine Schneise schizophrener Identitäten umgab mich und hätte ein Kinderpsychologe sich meiner verzerrten Realität angenommen, so wäre die umgehende Verbannung in eine abgedunkelte Isolationszelle ratsam und unausweichlich gewesen.
Hatte Fortuna geschlafen und uns somit die Aufbringung in Luxus und Reichtum verwehrt und blieben wir daher immer überzeugt davon nicht zugehörig zu sein?
Ganz wie mein fiktives Ebenbild experimentierte auch ich gelegentlich mit vergifteter Wandfarbe und bemühte mich um die Entmachtung sämtlicher Autoritätspersonen.
Wahn und Fiktion wurden somit zu einem Geschwisterpaar, welches Hand in Hand alles mit Goldstaub, konspirativen Irrtümern und kriminellen Verhaltensweisen fröhlich überzogen und verklärten.
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